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Digitalisierung #konkret

Seit Jahren ist es in aller Munde: Es verwundert fast, dass „Digitalisierung“ nicht als „Unwort 2018“ gewählt wurde. Oder 2017. Oder ’16… Denn obwohl scheinbar die ganze Welt danach strebt, fällt es oft schwer, sich etwas Konkretes unter dem Begriff „Digitale Transformation“ vorzustellen. Wir räumen auf und schaffen Klarheit, wie sich Digitalisierung zumindest in der Haniel-Gruppe äußert.

Mit der Schließung der letzten aktiven Steinkohlezeche Prosper-Haniel in Bottrop endete im Dezember 2018 die Ära des Bergbaus. Das Ruhrgebiet, geprägt von Eisenhütten, Hochöfen, Abraumhalden und Zechentürmen, steht vor einem erneuten Strukturwandel. Traditionsbewusst und heimatverbunden unterstützt Haniel seinen Standort dabei – nicht ganz uneigennützig: Als das Unternehmen im April 2016 seine Digitaleinheit Schacht One auf Zeche Zollverein gründete, war Haniel in Sachen Digitaler Transformation zumindest im Ruhrgebiet – wie bereits bei der Industrialisierung – erneut einer der Vorreiter. Mit dem Aufbau seines Digitalablegers verfolgte Haniel das Ziel, seine Geschäftsmodelle zu digitalisieren, Online-Vertriebskanäle zu etablieren und bereits überholte und dadurch ineffizient gewordene Prozesse zu modernisieren. Damit stellt sich die Gruppe für die Zukunft auf.



Neue Ideen wachsen in neuen Räumen

So unterschiedlich die Geschäftsbereiche sind, so vielfältig sind auch deren Digitalprojekte. Expertenteams aus den einzelnen Unternehmen setzen sie in enger Zusammenarbeit mit Schacht One um. „Wir unterstützen die Gruppe dabei, neue oder ergänzende digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln“, erklärt Dirk Müller, CEO der digitalen Werkbank. Dabei agiert das mittlerweile auf 15 Köpfe angewachsene Team nicht als klassischer Dienstleister, sondern befähigt die Kollegen aus den Unternehmen auch, ihre Projekte selbstständig zum Erfolgsmodell zu machen. In dieser Phase befindet sich zum Beispiel gerade der „Mattenprofi“ von CWS-boco, ein Onlineshop für Schmutzfangmatten. Das Produkt selbst gehört zwar zum Standard-Portfolio von CWS-boco, der Mietservice ist jedoch mit einem Dreijahresvertrag verbunden – ein relativ unflexibles Modell, das besonders für Großkunden interessant ist. „Bei uns können Kunden Matten jetzt auch im monatlich kündbaren Abo mieten“, stellt Sabrina Kohne einen der größten Unterschiede zu dem Mattengeschäft der Mutter CWS-boco heraus. „Und zwar ganz einfach mit verschiedenen Bezahlmethoden über unsere Webseite!“ Auch das war bislang nicht möglich. Kohne arbeitet seit Oktober 2013 bei CWS-boco und stieg 2018 bei Mattenprofi ein. Die Kundenbasis ist seitdem stetig gewachsen, Kündigungen gab es kaum. In Zusammenarbeit mit Dr. Sebastian Schäfer, Digital Project Manager bei Schacht One, hat Mattenprofi 2018 seinen Onlineshop gelauncht und verschiedene Geschäftsmodelle getestet. Das Mattenprofi-Team hat nun klare Wachstumspläne. „Schacht One holen wir immer seltener dazu“, sagt Kohne. „Sebastian ist zu einem Sparringspartner geworden – unsere Stimme von außen. Aber eine sehr wichtige.“

Das ist beim Geschäftsbereich ELG etwas anders verlaufen. Oliver Matten, ehemals Digital Project Manager bei Schacht One, ist nach dem Launch des Vorzeigeprojekts „Remetal“ ins operative Geschäft mit eingestiegen. „Die Schrottindustrie ist immer noch sehr analog und baut auf persönlichen Beziehungen auf. Wir möchten sie in eine digitale Welt übertragen, in der eine Online-Plattform Vertrauenswürdigkeit garantiert“, so Matten. Dieses Ziel verfolgt das Team seit April 2017 in der ELG-eigenen Digitaleinheit EIE. „EIE steht für ELG Innovation Experience. Wir haben den Anspruch, weiter Vorreiter hinsichtlich der Innovation unseres Bereichs zu sein“, erklärt Florian Kriependorf, Geschäftsführer des in Düsseldorf ansässigen Unternehmens. Die Projekte, von denen einige mit und bei Schacht One auf Zeche Zollverein begonnen haben, bearbeitet das interkulturelle Team nun in seiner eigenen Digitaleinheit.


„Die Vernetzung mit der regionalen Start-up-Szene hat den EIE-Projekten dann noch einmal besondere Impulse und Möglichkeiten gegeben.“


Trotz der unternehmenseigenen Einheit arbeiten die Kollegen immer noch oft mit Schacht One zusammen. „Einige unserer Partner für den Aufbau von Remetal, den digitalen Schrottplatz, haben wir zum Beispiel über Schacht One gefunden“, sagt Kriependorf. „Außerdem profitieren wir von dem mittlerweile enormen Netzwerk unserer Schacht-Kollegen.“

It’s all about connecting people!

Netzwerk ist ein weiteres Stichwort, das beim Thema Digitalisierung in der Haniel-Gruppe nicht außer Acht gelassen wird. Beim Haniel Leadership Lab im September 2018 drehte sich alles ums Thema „Digital Change: It’s all about connecting people“. Neben Führungskräften der Gruppe lud die Holding auch einen großen Teil junger Digital-Talente zu der zweitägigen Veranstaltung ein. Dank neuer, interaktiver Formate wie „Business Blind Dates“, in denen sich vorher einander unbekannte Mitarbeiter zu brennenden Themen austauschten oder einer eigens für diese Veranstaltung konzipierte App, kamen die Kollegen quasi nicht drumherum, miteinander ins Gespräch zu kommen und neue Kontakte zu knüpfen. „Ich denke, die Teilnehmer haben gelernt, dass sie durch Netzwerke viel mehr Informationen, Talente, Impulse und Wissen nutzen können“, resümierte Dr. Florian Funck, CFO von Haniel, die Veranstaltung. Simon Ye von BekaertDeslee bestätigte dies: „In der Haniel-Gruppe haben wir sechs unterschiedliche Geschäftsbereiche, die in verschiedenen Märkten agieren. Wir können unsere Erfahrungen jetzt schon untereinander austauschen, und die besten Lösungen für unsere Unternehmen finden.“ Unter anderem zu diesem Zweck, aber auch um weitere Kontakte – intern wie extern – zu knüpfen, gab es auch beim Leadership Lab wieder etwas zu gewinnen: die Teilnahme an der Digital Learning Journey nach Lissabon.



Das Prinzip der Digital Learning Journey verfolgt Haniel bereits seit 2016. Wie der Name schon sagt, geht es darum, das eigene Wissen im Digitalbereich auszubauen, sich innovative Start-ups anzuschauen, Ideen zu entwickeln und diese bestenfalls mit nach Hause in sein Unternehmen zu bringen. Führungskräfte, Multiplikatoren und Digital-Talente reisten im März 2018 zum South by Southwest-Festival (SSXW) nach Texas. Im November stand das nächste digitale Großevent an: Auf gings zum legendären WebSummit nach Lissabon. 15 Mitarbeiter aus allen Geschäftsbereichen stürzten sich dort gemeinsam in den Trubel einer der weltweit größten Tech-Konferenzen. Sie besuchten Vorträge der insgesamt 1.200 Referenten, darunter CEOs und Gründer der weltweit größten Unternehmen, lernten innovative Geschäftsmodelle der über 2.000 ausstellenden Start-ups kennen und vertieften die Kontakte untereinander. „So viele smarte Köpfe aus der Gruppe, aber auch außerhalb von Haniel und den Geschäftsbereichen kennenzulernen, war eine große Bereicherung“, resümierte zum Beispiel Mariann Blo Dalseth, Marketing & Graphic Advisor bei Optimar und Mitverantwortliche des Digitalprojekts „Commander“.

Commander ist eine digitale Plattform, die alle Parameter im fischverarbeitenden Werk erfasst und über Fehler, Stopps und anstehende Wartungsarbeiten informiert. Die Kunden erhalten so einen Gesamtüberblick in Echtzeit und können daraufhin ihre Prozesse optimieren und die Effizienz der Systeme steigern. 2018 hat Optimar die Plattform bereits bei drei Testkunden ausgerollt. „Jetzt wollen wir anhand der Kundenerfahrungen das Geschäftsmodell für Commander optimieren. Mit Hilfe von Schacht One hoffen wir, 2019 den nächsten Schritt zu machen, um Optimar Commander flächendeckend auf den Markt zu bringen“, erklärt Blo Dalseth. Und Optimar ist nicht der einzige Maschinenbauer im Portfolio, der die Expertise von Schacht One dankend in Anspruch nimmt.



Expertise von A-Z

Als Unternehmen mit rund 670 Mitarbeitern 2018, ist ROVEMA einer der kleinsten Geschäftsbereiche Haniels. Damit hat dieser auch andere Ansprüche, als zum Beispiel CWS-boco mit über 10.000 Mitarbeitern. Einen gemeinsamen Anspruch verfolgen aber alle: Digitalisierung! „Wir setzen gerade ein ERP-System auf“, sagt Ralf Buch, CFO des hessischen Herstellers für Verpackungsmaschinen. „Damit setzen wir das Fundament für kommende Entwicklungen.“ Die konkrete Zusammenarbeit mit Laszlo Juhasz, Digital Transformation Leader bei Schacht One, ist ein Ergebnis der Reise nach Texas. „Währenddessen haben wir uns intensiv über die Herausforderungen von ROVEMA ausgetauscht und erste Ideen zur Zusammenarbeit entwickelt. Seitdem stehen Ralf und ich in ständigem Austausch“, erklärt Juhasz. Die Einführung eines zentralen ERP-Systems bei ROVEMA wurde bereits vor der Reise nach Texas geplant. „Erst durch die Bündelung unserer Kompetenzen und den Start der konkreten Zusammenarbeit wurde die Basis für die Implementierung des Systems geschaffen“, so Juhasz. „Ohne diesen internen Blick und das Vertrauen seitens ROVEMA hätten wir bei Schacht One die Herausforderungen bei ROVEMA möglicherweise falsch interpretiert. So können wir helfen, die Basis für die Digital Journey des Geschäftsbereichs zu schaffen und parallel schon mal überlegen, wo die Reise hingehen könnte.“ Dabei steht eines fest: Neuland betritt der Mittelständer in Sachen Digitalisierung längst nicht mehr. Mit dem „Human Machine Interface“ hat er bereits 2017 unter Beweis gestellt, dass das Know-How über den Nutzen von Digitalisierung im Maschinenbau durchaus vorhanden ist: Die intuitive Benutzeroberfläche ermöglicht unter anderem einen Fernzugriff auf die Maschine und stellt Informationen und Prozesswerte in Echtzeit kompakt dar – eine Vereinfachung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.



Höher, schneller, weiter

Schacht One entwickelt nicht nur die Geschäftsbereiche weiter, sondern auch stetig sich selbst. Im Sommer hat die Digitaleinheit zusammen mit dem Wirtschaftsprüfer ETL die „Schmiede Zollverein“ gegründet. Die Schmiede stellt in enger Partnerschaft mit Schacht One dem Mittelstand – also auch nicht Haniel-eigenen Unternehmen – Erfahrungen, Methoden und Inhalte zur Verfügung. „Mit der Schmiede Zollverein sichert sich das Ruhrgebiet die Chance, seine vielen mittelständischen Unternehmen enkelfähig zu machen. Zugleich beweisen wir, dass man als Unternehmen nicht nur in Berlin oder München, sondern auch im Pott digitales Veränderungspotenzial heben kann“, sagt Gemkow. Der Mittelstand im Ruhrgebiet, die kleinen Maschinenbauer aus Hessen, die anderen Unternehmen der Haniel-Gruppe oder die Holding selbst befinden sich hinsichtlich ihrer digitalen Entwicklung in unterschiedlichen Reifegeraden und auch ihre Laufrichtungen und Ziele unterscheiden sich voneinander. Doch eines haben alle gemeinsam: Sie sind auf der Reise. Oder modern ausgedrückt: Sie befinden sich inmitten der Digitalen Transformation.